GALERIE SCHIPPER im INTERDRUCK
Presse: Kreuzer - Das Leipziger Stadtmagazin :: xx. 01. 2001
Bestandteil sein
Ars Lipsiensis-Preisträger Bernhard Schipper setzt in der Dresdner Bank Zeichen


Irritierte Tätowierer, begeisterte Militärs, empörte Ethiker, interessierte Landwirte und verwirrt nach fehlender Computerpräsenz schielende Medienkünstler - diese Kunst geht unter die Haut und hat ihren Preis, den Ars Lipsiensis. Bernhard Schipper bekam für seine Arbeit "I am the doorway 11 - last supper" im Fachbereich Medienkunst den von der Dresdner Bank verliehenen Preis für das beste Diplom des Jahrgangs 2000 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Ab 17. Januar ist seine damit verbundene Personalausstellung zu sehen.

Sichtbar wird Schippers Botschaft "I am the doorway" jedoch stets dort, wo Schipper ist. Er trägt die durch eine Software kodierte Inschrift als Tätowierung auf dem Oberarm. Mittels eines Handscanners ist das Bitmap zu entschlüsseln. Die Lesbarkeit der Schipper'schen Botschaft allerdings erweist sich als schwierig. ", I am the doorway' ist Metapher ist Zitat - ist positiv - ist das Werk. Die Software ist das Werkzeug. ... Die Tätowierung als Medium, es geht um das Bild", erklärt er. Das Bild auf ihm erklärt sich nicht, ohne das Konzept des 30-Jährigen zu kennen. Wohl aber widerspiegelt die Diskussion darum die Schwierigkeit seiner Betrachter, mit der Idee der Haut als Speichermedium umzugehen, und eine im Zeitalter eines grenzenlosen Kunstbegriffes erstaunliche Verunsicherung über Schippers Balanceakt zwischen Kunst und Wirtschaft.

Das Bild des Bildes zeigt sich denn auch je nach Kontext in den unterschiedlichsten Schattierungen. Um nicht in der "Schublade, Kunst“, so Schipper, zu verschwinden, trug der gebürtige Bautzener seine Haut auf den Markt der Cebit 2000. Die Reaktionen auf den im Gegensatz zum eindimensionalen Barcode zweidimensional funktionierenden Code der TOR1.01-Software waren mehr als überraschend, "Die Leute sind heißgelaufen", meint Schipper. Zum Entsetzen der Ethiker kam die Begeisterung der Industrie über Anwendungsmöglichkeiten bei der landwirtschaftlichen Tierkennzeichnung - und Interesse aus dem (nichteuropäischen) militärischen Bereich, Container-Shipping, Animal-Labelling und Human Identification! Die Patentanmeldung für TOR1.01 Iäuft.

Kunst als Produkt, das Wandeln zwischen den Kontexten als Grenzüberschreitung? Schipper spielt mit den Bezugsrahmen und mit den Zeitdimensionen, mit lebenslanger, d. h. vergänglicher Kunst. "Unabhängig von Ort und Zeit. Zum Schutz gegen Vergessen, Verlieren und Gelöschtwerden soll die Information eingeschrieben werden." Abgerufen aber wird zwangsläufig auch eine Fülle von Assoziationen, die Tätowierung als Zeichnung menschlicher Körper heraufbeschwört, vom romantisch-herzigen Treuezeichen bis zur Funktionalisierung im Genozid. Mit der Gratwanderung zwischen anwendungstechnischen Abgründen und hochfliegenden Visionen, medialen Speicher- und Kommunikationsmöglichkeiten drängt sich die Frage nach der Verantwortung und das Dilemma ihrer Beantwortung auf. "Was die Arbeit mit sich bringt, ist dieses Negativfeeling, Menschen bewusst zu codieren. Sie kratzt einfach am Verständnis von political correctness", spricht Schipper aus, was mancher entsetzt denkt.

Den Werdegang seines Kunstwerkes zum Produkt feierte er in der Diplomarbeit als religiöse Inszenierung, als Gleichnis für den Bezug zwischen Mensch, Bild, Kommunikation. In einem "Abendmahl" ließ er in der eigenen, zusammen mit Frank Patitz betriebenen "Interdruck"-Galerie die Speisenden sich die Botschaft in Gestalt von hautfarbenem, mit Kümmel codiertem Zwiebelkuchen einverleiben - eine "Produktpräsentation", die die Dresdner Bank schluckte.

Schipper als wandelndes Kunstwerk? Die grafische Struktur bleibt, ihre Neuinszenierung aber zwingt zur Suche nach weiteren Schlüsseln, die stets neue Bedeutungsebenen auf- oder für entsetzt Reagierende den Zugang verschließen. "Ich sage nicht, es ist gut oder böse. Die Leute artikulieren sich selbst", meint Schipper. Was die Dresdner Bank zur Ausstellung ihres Preisträgers artikulieren wird? "Es ist leicht, Kunst zu machen, die weh tut", provoziert der mit dem Ars Lipsiensis Gekürte, den das Ausreizen aller möglichen Assoziationen lockt. Schmerzverzerrte Gesichter in der Dresdner Bank? Ein möglicher Bestandteil von Schippers nun zu sehender Arbeit "Bestandteil sein".

ANNETTE ULLRICH

  :::  KÜNSTLER  ::  AKTUELL  ::  ARCHIV  ::  GALERIE  ::  KONTAKT  ::  LINKS  :::
Datum/Date:   ::: STARTSEITE ::: ::: BACK :::